Meldung vom 14.11.2023
Unter dem Titel „Zentrales Seminar“ wird jährlich vom OeAD die größte Lehrkräftefortbildung zu Holocaust und Nationalsozialismus abgehalten. Vom 16. bis 18. November 2023 lädt Österreichs Bildungsagentur OeAD im Rahmen seines Programms ERINNERN:AT gemeinsam mit QWIEN – Zentrum für Queere Geschichte Wien in die Urania nach Wien zur dreitägigen Lehrkräfte-Fortbildung. Dieses Jahr behandelt ERINNERN:AT als Jahresschwerpunkt die Verfolgung und Ermordung Homosexueller während der NS-Zeit sowie der schulischen Vermittlung dieses Themenkomplexes. Der OeAD setzt sein Programm ERINNERN:AT im Auftrag des BMBWF um. Alle Vorträge und Podiumsgespräche werden LIVE via Zoom übertragen: https://zoom.us/j/96955368498
Die während der NS-Zeit als homosexuell verfolgten Frauen und Männer haben auch nach 1945 Diskriminierung und Verfolgung erfahren. Nicht nur, dass sie nach der Befreiung nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden; vielmehr wurden gleichgeschlechtliche Handlungen und Beziehungen noch jahrzehntelang kriminalisiert, juristisch verfolgt und gesellschaftlich geächtet. Erst mit der „Kleinen Strafrechtsreform“ 1971 wurde das „Totalverbot“ homosexueller Handlungen aufgehoben. Der Stand der Forschung und das allgemeine Wissen über die NS-Homosexuellenverfolgung sind auch im Jahre 2023 eher dürftig; und auch erinnerungskulturell finden sich nur wenige Gedenkzeichen, wenn es um diese Opfergruppe geht. In den letzten Jahren hat eine junge Generation von Historikerinnen und Historikern dazu geforscht und publiziert. Für Wien liegen dank der Forschungstätigkeit des Zentrums QWIEN bereits valide Ergebnisse vor.
Forschungsstand, Unterrichtsmaterialien und Exkursionen
Im Rahmen der Veranstaltung wird der aktuelle Forschungsstand sowie Ansätze zur Vermittlung des Themas im Unterricht vorgestellt. Der OeAD selbst hat zwei neue Unterrichtsmaterialien entwickelt, eines davon in Kooperation mit der USC Shoah Foundation in Los Angeles. Exkursionen führen an ausgewählte Orte der Erinnerung, wie etwa das im Juni 2023 im Wiener Resselpark eröffnete Denkmal „Arcus“.
Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Bildungsverwaltung kommen mit den Teilnehmenden ins Gespräch. Sie alle machen deutlich, dass die Ausgrenzung und Diskriminierung von Homosexuellen und Inter- und Transpersonen auch im Europa des 21. Jahrhunderts aktuelle Themen sind, denen sich die Schule annehmen sollte.
„Der diesjährige Jahresschwerpunkt von ERINNERN:AT befasst sich mit der Verfolgung und Ermordung Homosexueller während der NS-Zeit in Österreich. Gerade in Zeiten wie diesen ist ein aktiver Diskurs dazu vor allem unter jungen Menschen und in unseren Schulen wichtig. Unsere Bereitstellung neuer, innovativer Lernmaterialien, basierend auf Video-Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, zielt genau darauf ab und manifestiert unser Engagement für dieses zentrale Thema“, betont Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsminister Martin Polaschek.
Dazu Jakob Calice, Geschäftsführer des OeAD: „Laut einer Studie des Parlaments würde es 18 Prozent der Jugendlichen in Österreich eher oder sehr stören, Schwule oder Lesben als Nachbarn zu haben. Das ist fast jeder fünfte Jugendliche. Dieses Ergebnis zeigt uns, dass in den letzten Jahren zwar viel erreicht wurde, wenn es um die Gleichstellung von Homosexuellen geht, dass die Gesellschaft mitunter dieser Entwicklung aber hinterherhinkt. Durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Verfolgung homosexueller Frauen und Männer in der NS-Zeit wollen wir als OeAD einen Beitrag für mehr Akzeptanz für Homosexuelle und Transpersonen in der Gegenwart leisten. Dies entspricht auch unserem Auftrag eine inklusive und gleichberechtigte Bildung zu fördern.“
Patrick Siegele, OeAD-Leiter des Bereichs Holocaust Education, ergänzt: „Erstmals bieten wir im Rahmen von ERINNERN:AT Unterrichtsmaterialien an, mit denen Lehrkräfte eine lange Zeit vergessene und unterrepräsentierte Opfergruppe des NS-Regimes im Unterricht behandeln können. Sie sind Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschung und Vermittlungstätigkeit.“
Hannes Sulzenbacher, Co-Leiter von QWIEN: „Für QWIEN – Bibliothek, Archiv und Forschungszentrum für queere Geschichte – ist es sehr erfreulich, dass diese Opfergruppe des Nationalsozialismus mittels der Zusammenarbeit mit dem OeAD nun Eingang in den Schulunterricht finden kann. Die queeren Opfer des Nationalsozialismus wurden erst 2005 als solche gesetzlich anerkannt, und auch der Weg in die gesellschaftliche Wahrnehmung und Anerkennung war ein langer. Ihr Schicksal war von gesetzlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ächtung geprägt. Ihre Biografien heute zu erzählen ist ein Versuch, ihnen vielleicht ein wenig Würde zurückzugeben, die ihnen so lange verwehrt wurde.“
Österreichs größte Lehrkräftefortbildung zum Thema Holocaust und Nationalsozialismus
Unter dem Titel „Zentrales Seminar“ wird jährlich vom OeAD die größte Lehrkräftefortbildung zum Thema Holocaust und Nationalsozialismus abgehalten. 2023 findet die Jahresveranstaltung in Wien statt und widmet sich der Verfolgung und Ermordung Homosexueller während der NS-Zeit sowie der Vermittlung dieses Themas im Unterricht. Die Veranstaltung richtet sich an Lehrpersonen aller Schultypen und Fächer, insbesondere Geschichte und Politische Bildung, aus ganz Österreich. Sie gilt als Fortbildung im Sinne des BMBWF. Das „Zentrale Seminar 2023“ wird unterstützt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, von der Stadt Wien (MA7), vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und vom Zukunftsfonds der Republik Österreich.
Zum historischen Hintergrund des Jahresthemas
Schon lange vor dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurden homosexuelle Männer und Frauen in Österreich verfolgt. Unter nationalsozialistischer Herrschaft verschärfte sich die Situation noch einmal drastisch. Der
§ 129 Ib des österreichischen Strafgesetzbuches von 1852 blieb auch nach 1938 aufrecht und stellte weibliche Homosexualität im Unterschied zum übrigen Deutschen Reich ebenfalls unter Strafe. Verschiedene Behörden brachten die Verfolgten vor Gericht, in Gefängnisse, Konzentrationslager oder Psychiatrien. Viele überlebten die Verfolgung nicht.
https://www.erinnern.at/themen/jahresthema-2023-ns-verfolgung-homosexueller
Die letzten Jahresthemen waren beispielsweise „Widerstand gegen das NS-Regime in Österreich“ (2022) oder „Bildungsarbeit gegen Antisemitismen“ (2021).
Programm:
https://www.erinnern.at/bildungsangebote/seminare/zentrales-seminar/zentrales-seminar-2023-die-verfolgung-und-ermordung-von-homosexuellen-waehrend-der-ns-zeit-in-oesterreich